#1

Pfarrerinitiative 19. Juni 2011

in Termine - Veranstaltungen - Aktuelles 28.06.2011 19:18
von martin_r • 576 Beiträge

siehe www.pfarrerinitiative.at

Wir Priester wollen künftig Zeichen setzen:

1 WIR WERDEN in Zukunft in jedem Gottesdienst eine Fürbitte um Kirchenreform sprechen. Wir nehmen das Bibelwort ernst: Bittet, und ihr werdet empfangen. Vor Gott gilt Redefreiheit.


2 WIR WERDEN gutwilligen Gläubigen grundsätzlich die Eucharistie nicht verweigern. Das gilt besonders für Geschieden-Wiederverheiratete, für Mitglieder anderer christlicher Kirchen und fallweise auch für Ausgetretene.


3 WIR WERDEN möglichst vermeiden, an Sonn- und Feiertagen mehrfach zu zelebrieren, oder durchreisende und ortsfremde Priester einzusetzen. Besser ein selbstgestalteter Wortgottesdienst als liturgische Gastspielreisen.


4 WIR WERDEN künftig einen Wortgottesdienst mit Kommunionspendung als "priesterlose Eucharistiefeier" ansehen und auch so nennen. So erfüllen wir die Sonntagspflicht in priesterarmer Zeit.


5 WIR WERDEN auch das Predigtverbot für kompetent ausgebildete Laien und Religionslehrerinnen missachten. Es ist gerade in schwerer Zeit notwendig, das Wort Gottes zu verkünden.


6 WIR WERDEN uns dafür einsetzen, dass jede Pfarre einen eigenen Vorsteher hat: Mann oder Frau, verheiratet oder unverheiratet, hauptamtlich oder nebenamtlich. Das aber nicht durch Pfarrzusammenlegungen, sondern durch ein neues Priesterbild.


7 WIR WERDEN deshalb jede Gelegenheit nützen, uns öffentlich für die Zulassung von Frauen und Verheirateten zum Priesteramt auszusprechen. Wir sehen in ihnen willkommene Kolleginnen und Kollegen im Amt der Seelsorge.



Im Übrigen sehen wir uns solidarisch mit jenen Kollegen, die wegen einer Eheschließung ihr Amt nicht mehr ausüben dürfen, aber auch mit jenen, die trotz einer Beziehung weiterhin ihren Dienst als Priester leisten. Beide Gruppen folgen mit ihrer Entscheidung ihrem Gewissen - wie ja auch wir mit unserem Protest. Wir sehen in ihnen ebenso wie im Papst und den Bischöfen "unsere Brüder". Was darüber hinaus ein "Mitbruder" sein soll, wissen wir nicht. Einer ist unser Meister - wir alle aber sind Brüder. "Und Schwestern" - sollte es unter Christinnen und Christen allerdings heißen. Dafür wollen wir aufstehen, dafür wollen wir eintreten, dafür wollen wir beten. Amen.

Dreifaltigkeitssonntag, 19. Juni 2011


Martin R.

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#2

RE: Pfarrerinitiative 19. Juni 2011

in Termine - Veranstaltungen - Aktuelles 02.07.2011 09:38
von Gudelong • 855 Beiträge

Der Link lautet richtig: http://www.pfarrer-initiative.at/

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#3

RE: Pfarrerinitiative 19. Juni 2011

in Termine - Veranstaltungen - Aktuelles 03.07.2011 22:22
von martin_r • 576 Beiträge

Danke, Gudelong.

Hier das Interview mit Helmut Schüller im Standard:

Die "Pfarrer-Initiative" veröffentlichte vor wenigen Tagen einen "Aufruf zum Ungehorsam". Darin kündigte sie wegen der "römischen Verweigerung einer längst notwendigen Kirchenreform" unter anderem an, sich öffentlich für die Zulassung von Frauen und Verheirateten zum Priesteramt auszusprechen, das Predigtverbot von Laien zu missachten und sich solidarisch mit jenen Kollegen zu zeigen, "die wegen einer Eheschließung ihr Amt nicht mehr ausüben dürfen, aber auch mit jenen, die trotz einer Beziehung weiterhin ihren Dienst als Priester leisten". Mit Helmut Schüller, einem der Proponenten der Pfarrerinitiative, sprach Sebastian Pumberger über den provokanten Aufruf.

derStandard.at: Herr Schüller, Sie haben mit ihren Mitstreitern von der "Pfarrerinitative" vor wenigen Tagen den "Aufruf zum Ungehorsam" veröffentlicht. Warum?

Schüller: Wir arbeiten als Pfarrerinitiative seit fünf Jahren. In dieser Zeit hat sich nichts bewegt. Wir haben uns gesagt, wir müssen deutlicher werden und selbst Schritte in Richtung Kirchenreform setzen.

derStandard.at: Was kritisieren Sie an der derzeitigen Kirche?

Schüller: Wir kritisieren die Zusammenlegung von Pfarren. Man schafft dadurch Großpfarren, wo Seelsorge und Nähe zum Menschen nicht mehr möglich sein wird. Die Verknappung der Leitung der Gemeinden wird nicht ernstgenommen und der Zugang zum Priesteramt nicht erweitert, zum Beispiel in Richtung verheiratete Männer oder Frauen. Es herrscht hier keine Mitbestimmung. In der Aufwertung des Laiens geht es eher rückwärts. In dem Aufruf haben wir Dinge genannt, die wir unmittelbar tun und mit unseren Gemeinden tun können.

derStandard.at: Wie ist die Reaktion der Amtskirche auf diesen Aufruf?

Schüller: Offiziell liegt uns nur eine Stellungnahme von Bischof Kapellari aus Graz vor, der mit Kardinal Schönborn abgesprochen sein soll. Das ist das einzige, was wir aus der Kirchenleitung gehört haben. Sonst gibt es überwiegend positive Kritik aus dem Kreise der Pfarrer und der Bevölkerung. Natürlich gibt es auch negative Kritik.

derStandard.at: Kann die Amtskirche auch kirchenrechtlich gegen Sie vorgehen?

Schüller: Natürlich muss man auch damit rechnen. Ich möchte nicht vorformulieren was die Kirchenoberen tun könnten. Das kommt darauf an, wie man unser Handeln einschätzt. Wir selbst sagen, dass sind verantwortbare Schritte, die wohl im Gegensatz zu herrschenden Regelungen stehen. Diese werden aber vermutlich, wenn es einmal zu Reformen kommt, als selbstverständlich betrachtet werden. Wenn man die Kirchengeschichte anschaut, dann war es häufig so, dass etwas angefangen hat, das zuerst verpönt und Jahre und Jahrzehnte später allgemeine Lehre war.

derStandard.at: Die Aufwertung der Laien geht eher zurück, sagen Sie. Warum wird das, was im 2. Vatikanischen Konzil begonnen hat, nicht weiter forciert?

Schüller: Es gibt unter den Klerikern bis hinauf zum Papst die Angst, dass man an Macht und Einfluss verlieren könnte. Vielleicht ist es auch die Angst vor der eigenen Courage. Das 2. Vatikanische Konzil hat auch Öffnung bedeutet und das bedeutet Unsicherheit vor neuen Wegen. Die verspätete Auseinandersetzung mit der Moderne bringt vieles ins Wanken, das jahrhundertelang so behauptet wurde. Da gibt es nun auch Strömungen, das Ganze wieder einzudämmen.

In der Entscheidungsstruktur der Kirche können einige wenige vielen ihre Vorstellungen aufdrücken. Die Einstellung eines Mannes, des Papstes und seiner Umgebung, bestimmt die Entwicklung. Das ist nicht nur zu viel Macht, sondern auch zu viel Verantwortung für einen Einzelnen. Die Bischöfe, die sich nun gebunden fühlen, die nur das tun, was der Papst ihnen ermöglicht, sind in diesem System eingebaut. Deswegen haben wir es mit einem starken Bremsvorgang zu tun. Bei den Laien hat man begonnen, sehr zaghaft positive Schritte zu setzen, die scheinen manchen zu weit zu führen.

derStandard.at: Einige Bischofsernennungen waren in letzte Zeit nicht ganz unumstritten. Braucht es ein demokratischeres System der Mitbestimmung der Laien?

Schüller: Ja, selbstverständlich. Es ist völlig unhaltbar, dass die, die es am meisten ausbaden müssen, nämlich die Gemeinden und die Pfarrer, bei der Frage, wer Bischof wird, draußen sind. Man verzichtet auf eine Menge Verstand, denn gerade die Getauften und Gefirmten bringen in die Kirche sehr viel Weltverstand mit. Es ist nicht nur so, dass es zu wenig Einfluss gibt, bei denjenigen, die die Folgen dann tragen, sondern es ist auch völlig intransparent. Das ist völlig inakzeptabel.

Die Ordensgemeinschaften wählen seit Jahrhunderten ihre Äbte und niemand würde behaupten, dass sie den Glauben verwässert haben. Sie glauben immer noch an Gott und die Auferstehung Christi. Und trotzdem muss alle paar Jahre ein Abt neu gewählt werden. Dieser muss sich verantworten und muss Rechenschaft ablegen. Das ist ein Element, das in unserer Kirche völlig fehlt. Weder der Papst noch ein Bischof legen Rechenschaft darüber ab, was sie entscheiden. Diese Dinge entsprechen jedoch nur den zivilisatorischen Fortschritten, die wir mittlerweile haben. Teilhabe an Entscheidungen ist eine Grundsache des modernen Gemeinwesen, warum sollte das nicht in der Kirche auch so sein?

derStandard.at: Sehen Sie den Grund für die aktuelle Krise auch im Mangel an Reformen?

Schüller: Es ist sicher ein Mangel, wenn sich die Kirche den Belastungen der modernen Zeit nicht stellt. Natürlich ist die offene Verweigerung des Eingehens auf die moderne Lebenseinstellung eine schwere Beeinträchtigung im Handeln der Kirche.

derStandard.at: Üben Sie in Probstdorf die Dinge aus, die Sie in dem Aufruf proklamiert haben?

Schüller: Ja, das ist alles schon Realität. Ich kann von guten Erfahrungen berichten. Es wird nichts zerstört und aufs Spiel genommen. Ich denke dieser Weg wird in der Gemeinde von der ganz klaren Mehrheit mitgetragen.

derStandard.at: Glauben Sie, kann eine Veränderung beim Zölibat in den nächsten Jahrzehnten umgesetzt werden?

Schüller: Ich würde mich nicht auf Zeitspekulationen einlassen, manchmal können Dinge sehr schnell gehen. Unmut artikuliert sich heute sehr schnell, dadurch können neue Dinge entstehen. In dem Augenblick, in dem immer deutlicher wird, was die der Kirche verbundenen Menschen wollen, könnte es noch viel schneller gehen. Noch dazu, wenn sich Bischöfe, die in eine ähnliche Richtung denken, vernetzen würden. Die momentane Situation ist der unendlichen Geduld vieler geschuldet. Es wird einfach hingenommen. In dem Augenblick in dem es klarere Worte gibt, und die sich gegenseitig verstärken, können Dinge sehr schnell in Bewegung kommen. Auch beim Zölibat.

derStandard.at: Gibt es auch nicht offizielle Gespräche wo Bischöfe weiter gehen?

Schüller: Wir haben mit den Bischöfen, die mit uns sprechen wollten, Gespräche geführt. Sie haben Verständnis gezeigt für unsere Fragen. Manchmal habe ich mir gedacht, sie denken mehr als sie positiv dazu sagen wollen. Die Bischöfe sammeln diese Frage und sagen uns nicht, was sie selbst davon halten. Da haben wir an der Basis noch keine Klarheit. Die Bischöfe haben sich noch nicht deklariert. Sehr häufig bekommen wir die Antwort: "Das will Rom nicht." Wenn wir weiterkommen wollen, müssen wir auch einmal wissen, was die Bischöfe nicht wollen.

derStandard.at: Nachdem Sie den Aufruf veröffentlicht haben, welchen Schritte planen Sie jetzt?

Schüller: Genaugenommen fordern wir nichts, wir kündigen an, was wir selber tun. Das ist etwas Neues. Wir schicken nicht einen Brief ab und warten auf Antworten. Wir haben begonnen, bestimmte Schritte zu setzen. Wir hoffen, dass viele sich auf ähnliche Weise äußern und dies auch so tun. Wir hoffen auch auf ein Aufgreifen dieser Schritte von der Kirchenleitung. Wir werden sehen, was sich als Reaktion auf den Aufruf tut. Es kommt jetzt sehr darauf an, dass alle die diese Schritte gutheißen, das deutlich nach außen kundtun. Dann wird mehr weitergehen. (Sebastian Pumberger, derStandard.at, 3.7.2011)

HELMUT SCHÜLLER, war Generalvikar der Erzdiozöse in Wien und ist heute Pfarrer in Probstdorf.


Martin R.

zuletzt bearbeitet 03.07.2011 22:22 | nach oben springen

#4

Antwort: Veronika Prüller-Jagenteufel

in Termine - Veranstaltungen - Aktuelles 09.07.2011 17:30
von martin_r • 576 Beiträge

Gottes Kreativität vertrauen und das Mögliche tun
Zum Aufruf der Pfarrer-Initiative - ein Beitrag von Pastoralamtsleiterin Veronika Prüller-Jagenteufel.



Mitten in den beginnenden diözesanen Entwicklungsprozess in der Erzdiözese Wien kommt der Aufruf des Vorstands der Pfarrer-Initiative. Als österreichweite Aktion ist er nicht als direkte Antwort auf unseren Wiener Prozess zu verstehen. Zugleich spricht er vieles an, was uns in der Erzdiözese ebenso beschäftigt.

Der Weg von Apostelgeschichte 2010 und der jüngste Hirtenbrief unseres Erzbischofs haben weit über die Erzdiözese Wien hinaus Aufmerksamkeit erregt und unter vielen Menschen Neugier und Freude im Blick auf die Zukunft aufkommen lassen. Gewiss ist das auch mit Befürchtungen gemischt oder mit Ungeduld, mit Unsicherheit und vielen Fragezeichen. Einig sind wir uns vielleicht zumindest darin: Wir schauen offener und ehrlicher als zuvor auf unsere tatsächliche Situation als Kirche in einer säkularen Gesellschaft; wir müssen theologische und pastorale Positionen auf den Prüfstand der großen Veränderungen stellen, in denen wir stehen; und wir haben viel vor.

Ich gehöre zu jenen VerantwortungsträgerInnen in der Erzdiözese, denen speziell aufgetragen ist, den Entwicklungsprozess voranzutreiben. Voraussichtlich werden wir uns in diesem Prozess immer wieder an den Grenzen des Möglichen reiben. Meine erste spontane Reaktion auf den Aufruf der Pfarrer-Initiative und seine Diskussion in den Medien war daher die Sorge, dass das unseren Bemühungen in der EDW in den Rücken fällt. Ich habe Sorge, dass unser Handlungsspielraum für Veränderungen dadurch enger wird. Gezielte öffentliche Grenzverletzungen rufen immer auch die aggressiven Grenzschützer auf den Plan. Diejenigen, die versuchen, das auszuloten und auszuweiten, was gemeinsam möglich ist, finden dann zwischen den Fronten womöglich weniger Raum für konstruktive nächste Schritte. Zugleich habe ich am Grenzgängertum immer gemocht, dass das Drängen, das offene Wort, auch die Aggression bis hinein in die naturgemäß vorsichtigeren Bewegungen des Zentrums Dynamik und Energie bringen können. Ich hoffe sehr, dass das nun auch gelingt. Wichtig dafür scheint mir, dass jene, die jetzt schon wissen, was sie tun werden, sich dennoch ein echtes Interesse für diejenigen bewahren, die andere Optionen für richtig halten.

Mir scheint, der diözesane Prozess teilt mit dem Aufruf der Pfarrer-Initiative den Eindruck, dass wir vor wirklich großen Herausforderungen stehen. Als große Erzdiözese, die an das Kirchenrecht gebunden ist, müssen wir bei der Suche nach neuen Wegen achtsamer vorgehen, als es für einen bewusst provozierenden Aufruf nötig ist. Doch die Themenfelder, in denen wir um Lösungen ringen, sind großteils dieselben:

Beten ist immer erlaubt und notwendig. Dabei ist Gebet einerseits ein Mich-Einüben in die Bereitschaft, Gottes Wege mitzugehen – selbst dann, wenn sie (noch?) nicht dorthin führen, wo ich gern hinwollte. Andererseits dürfen wir Gott lästig werden wie die Witwe, die um ihr Recht kämpft. Wenn wir vor allem um die je tiefere Einsicht in Gottes Willen bitten, vermeiden wir die Versuchung, „gegeneinander“ zu beten. Der Entwicklungsprozess der Diözese wird nur gelingen, wenn er von Gebet getragen ist.
Unser Weg lebt aus der Eucharistie, der dankbaren Verbindung mit dem Geheimnis Christi und untereinander am Tisch des Herrn. Aus dieser Gemeinschaft darf niemand leichtfertig ausgeschlossen werden. Dass auch solchen, für die nach geltendem Kirchenrecht der Sakramentenempfang nicht vorgesehen ist, nach einem aufmerksamen seelsorglichen Prozess in theologischer Verantwortung und im Vertrauen auf Gottes größere Barmherzigkeit die Kommunion gereicht wird, ist weithin pastorale Praxis. Sinnvollerweise ist es nicht die Regel. Wer die Ausnahme zur Regel stilisiert, erspart sich und anderen zu schnell die notwendige, oft heilsame Konfrontation mit der Realität.
Fragen der Gemeindeorganisation, inklusive Leitungs- und Sonntagsfrage, sind Kernfragen der theologischen wie strukturellen Überlegungen, die uns in den nächsten Monaten und Jahren beschäftigen werden. Die berechtigte Sehnsucht der Menschen nach einer guten heilsamen Seelsorge wird dabei der Fokus sein müssen.
Eine Pfarre wird immer von einem Priester zu leiten sein; Gemeinden und Gemeinschaften von Christen kann jede/r Getaufte und Gefirmte leiten. Hier sehe ich im Hirtenbrief vielversprechende Linien vorgezeichnet. Aufgabe von Hauptamtlichen wird wohl mehr die Begleitung von ehrenamtlich Leitenden vor Ort sein. Es wird Mut brauchen, manches Neue auszuprobieren, manche alten Vorstellungen loszulassen.
Sehr wahrscheinlich wird es in Zukunft mehr Kirchen geben, in denen an einem Sonntag keine Eucharistiefeier stattfinden kann. Klarerweise ist es gut, wenn in diesen Kirchen gleichwohl auch am Sonntag Menschen zusammenkommen, um miteinander zu beten, das Wort Gottes zu hören und zu bedenken und sich dankbar in die Gegenwart des gekreuzigten und auferstandenen Jesus Christus zu stellen. Ob das Wort-Gottes-Feiern mit eucharistischer Anbetung oder mit Kommunionspendung sein können, ob dafür die Kommunion aus einer zentralen Eucharistiefeier gebracht wird; und welche Rolle Eucharistiefeiern an anderen Wochentagen bekommen können – das und vieles mehr sind hier spannende Fragen, für die theologisch wie praktisch womöglich verschiedene Lösungen denkbar sind. Ziel bleibt, ganz praktisch zu ermöglichen, dass Gemeinden den Sonntag heiligen und aus der Eucharistie leben.
Jede Katholikin und jeder Katholik ist heute viel stärker zum Zeugnis für den Glauben herausgefordert als zu Zeiten einer machtvollen klerikalen Kirche. Viele Laien sind ganz offiziell beauftragt, in Wort-Gottes-Feiern, bei Begräbnissen, Taufen, Andachten etc. zu predigen oder das Wort Gottes für SchülerInnen auszulegen etc. Beauftragungen könnten in Zukunft eventuell auch das Glaubenszeugnis im Rahmen einer Eucharistiefeier umfassen. Lediglich die Homilie in einer solchen Feier ist einem geweihten Amtsträger vorbehalten um der spürbaren Einheit zwischen Wort und Sakrament willen.
Der Wandel der Kirchengestalt, der sich hierzulande abzeichnet, scheint mir sehr tief zu gehen und notwendig zu sein – selbst wenn wir durch neue Priester die traditionellen Pfarrstrukturen noch eine Weile aufrecht erhalten könnten. Ich sehe die Chance dieses historischen Moments, in dem die oberste Kirchenleitung keine Möglichkeit zur Veränderung des zölibatären männlichen Priestertums sieht, darin, dass wir wirklich neu entdecken, was unsere gemeinsame Existenz als priesterliches, prophetisches und königliches Volk bedeutet, und von dort her das kirchliche Leben ohne Klerikalismus entwerfen. Das wäre eine wirklich epochale Weiterentwicklung unserer Kirche. Sie könnte dort beginnen, wo wir verlernen, einen Vorgang erst dann für kirchlich wertvoll zu halten, wenn ein Priester (der Pfarrer, der Bischof …) dabei war; wo wir neu schätzen lernen und erfahren, welche hohe Würde und volle Freude es ist, Christus unmittelbar anzugehören; wo wir erkennen, wie groß die Aufgabe ist, die Welt zu heiligen, d.h. sie ausdrücklich mit Gott zu verbinden … Erst die tiefe Wiedergewinnung der gemeinsamen Berufung zum Christsein als priesterlich-prophetisch-königliche Gemeinschaft wird uns neu begreiflich machen, welcher notwendige Segen es ist, geweihte Presbyter unter uns zu haben. Erst wenn wir die gemeinsame Basis wirklich stark im Bewusstsein haben, werden die Kompetenzen einiger keine bedrohliche Konkurrenz mehr darstellen. Notwendig ist dazu vor allem und von allen auch ein viel klarerer und demütigerer Umgang mit Macht.
Auch ich wünsche mir, dass in Sachen der Zulassungsbedingungen zum Priesteramt der Heilige Geist der Kirche noch einmal etwas Neues zeigt und neue Wege eröffnet. Wenn es hier einmal Veränderungen gibt, dann wohl nicht aus praktischen oder strategischen Überlegungen, sondern aus tieferer theologischer und geistlicher Einsicht.

Einen Punkt, der im Aufruf eher indirekt steckt, möchte ich stark betonen: den Blick auf die Sendung der Kirche in die Welt hinein. Wir sind Kirche nicht für uns, sondern für die anderen. Wenn es in vielen der angesprochenen Fragen (auch) um die Identität des Katholischen geht, wünsche ich mir sehr, dass allem anderen voran die Hinwendung zu den Bedürftigen und der Einsatz für eine gerechtere Welt zu den Markenzeichen werden, an denen Kirche für die Gesellschaft erkennbar ist.
Mitten in den Beginn des diözesanen Entwicklungsprozesses kommt also der Aufruf und das, was er auslöst. Wieder einmal frage ich mich: Was hat mich eigentlich dazu gebracht, mich gelassener und mit mehr Einwilligung auf den langsameren Rhythmus der Gesamtkirche einzustellen? Habe ich mein Drängen aufgegeben? In gewisser Weise bin ich vom kleinen, wendigen Aufklärungsboot, das sich nach neuen Gewässern umsieht und versucht, Fahrstraßen für die Flotte zu finden, auf eines der großen behäbigen Kommandoschiffe umgestiegen. Seine Trägheit ist manchmal ziemlich nervig. Es zu schnell wenden zu wollen, sehe ich ein, brächte es zum Kentern. Dass die einen den Kurs ändern wollen, in dem sie sich auf eine Seite lehnen, fordert andere dazu heraus, sich auf der anderen Seite hinauszulehnen, weil sie Angst vor dem Umkippen haben. Die Schuld, dass es schwerer wird, die Richtung zu finden, wird von allen gerne nur dem Kapitän oder der Admiralität in die Schuhe geschoben. Alles das finde ich ehrlich gesagt zuweilen wenig hilfreich – so sehr vieles an Kritik stimmt und berechtigt ist.

Was ich mir wünsche? Dass möglichst alle Kräfte dieser Diözese zusammenhelfen, sodass wir den Weg gemeinsam gehen können. Dass wir noch einmal tiefer nachdenken. Dass wir uns mehr Offenheit im Kopf und im Herzen gönnen. Dass wir selbstkritischer schauen, wo wir mehr aus der ängstlichen Sorge um uns selbst handeln und wo mehr aus der Freiheit der Christenmenschen, zu der auch das Wohlwollen für die anderen gehört. Dass wir uns noch radikaler in das Vertrauen auf Christus einüben – wegen und trotz der Kirche.

Anstehende Veränderungen lösen Verleugnung und Widerstand aus, bevor sie kreativ und mit Lust angegangen werden können. Die Phase der Verdrängung, so mein Eindruck, lassen wir in der Erzdiözese Wien nach und nach hinter uns. Mit Widerständen aus allen Richtungen ringen wir. Nach der lustvollen Kreativität sehne ich mich noch, doch immer öfter – und zwar vornehmlich in der konkreten Praxis vor Ort – blitzt sie schon kräftig auf. Ich hoffe auf sie auch als verlässliche Begleiterin in dem Entwicklungsprozess, den wir begonnen haben. Klassische Theologie nennt sie den Heiligen Geist.



(Veronika Prüller-Jagenteufel)


Martin R.

zuletzt bearbeitet 09.07.2011 17:32 | nach oben springen

#5

RE: Antwort: Kardinal Schönborn

in Termine - Veranstaltungen - Aktuelles 09.07.2011 17:31
von martin_r • 576 Beiträge

Liebe Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter!
Liebe Brüder und Schwestern!
Und diesmal besonders: Liebe Mitbrüder im priesterlichen Dienst!

Der Vorstand der "Pfarrer-Initiative" hat am Dreifaltigkeitssonntag (19. Juni) einen "Aufruf zum Ungehorsam" veröffentlicht (www.pfarrer-initiative.at). Ich wollte nicht sofort reagieren, um nicht im Zorn und in der Trauer zu antworten, die dieser Aufruf in mir ausgelöst hat. Bei der Priesterweihe am 24. Juni habe ich in meiner Predigt indirekt darauf Bezug genommen. Mich erschüttert der offene Aufruf zum Ungehorsam. Wie würden in unserem Land die Familien aussehen, wenn Ungehorsam zur Tugend erhoben würde? Viele Berufstätige fragen sich, wie es möglich ist, in der Kirche den Ungehorsam zu propagieren und zu praktizieren, wo sie wissen, dass sie ihren Arbeitsplatz längst verloren hätten, wenn sie dort zum Ungehorsam aufriefen.

Wir Priester haben alle bei unserer Weihe aus freien Stücken, von niemandem dazu gezwungen, dem Bischof "Ehrfurcht und Gehorsam" in die Hand versprochen und vor der ganzen Gemeinde laut und deutlich gesagt: "Ja, ich verspreche es". Steht ihr dazu? Kann ich, können die Gemeinden sich darauf verlassen? Als Bischof habe ich auch dem Papst treue Gemeinschaft und Gehorsam versprochen. Ich will dazu stehen, auch wenn es Momente gegeben hat, wo das nicht leicht war.

Der christliche Gehorsam ist eine Schule der Freiheit. Es geht um die konkrete Übersetzung ins Leben von dem, was wir in jedem Vaterunser beten, wenn wir den Vater bitten, sein Wille möge geschehen, im Himmel und auf Erden. Diese Bitte erhält ihren Sinn und ihre Kraft durch die innere Bereitschaft des Beters, den Willen Gottes auch dort anzunehmen, wo er von den eigenen Vorstellungen abweicht. Diese Bereitschaft konkretisiert sich auch im kirchlichen Gehorsam dem Papst und Bischof gegenüber. Sie kann manchmal Schmerzliches abverlangen.

Um den Willen Gottes geht es auch im "Masterplan" für unsere Diözese, im Prozess Apostelgeschichte 2010 und im diözesanen Entwicklungsplan. Was ist Gottes Willen für uns, die Erzdiözese heute, in der Situation großen Wandels? In gemeinsamem Gebet und Eucharistiefeier, im Betrachten der Schrift, im Hinschauen auf die Entwicklung unserer Gesellschaft, bemühen wir uns, den Willen Gottes zu erkennen. Der "Masterplan" soll ja der Plan des Meisters, des Herrn sein.

Genau hier setzt nun der "Aufruf zum Ungehorsam" an – aber quer zum "Masterplan". Da die von den Initiatoren der "Pfarrer-Initiative" geforderten Reformen noch immer nicht erfolgt sind, und da die Bischöfe, so meinen sie, untätig sind, sehen sie sich gezwungen, "dem Gewissen zu folgen und selbstständig tätig zu werden".

Wenn es zur Gewissensfrage wird, dem Papst und dem Bischof gegenüber ungehorsam zu werden, dann ist eine neue Stufe erreicht, die zu einer klaren Entscheidung drängt. Denn dem Gewissen ist immer Folge zu leisten, wenn es ein geformtes und sich selbst kritisch prüfendes Gewissen ist. Der selige Franz Jägerstätter hat in einsamer Gewissensentscheidung den Kriegsdienst in Hitlers Armee verweigert, um den Preis seines Lebens. Der selige John Henry Newman kam in einem jahrelangen intensiven Ringen zur Gewissheit seines Gewissens, dass die anglikanische Kirche von der Wahrheit abgewichen ist und dass die Kirche Jesu Christi in der katholischen Kirche weiterlebt. So verließ er seine Kirche und wurde katholisch. Wer also im geprüften Gewissen zur Überzeugung kommt, dass "Rom" auf einem Irrweg ist, der gravierend dem Willen Gottes widerspricht, müsste im äußersten Fall die Konsequenz ziehen, den Weg nicht mehr mit der römisch-katholischen Kirche zu gehen. Ich glaube und hoffe aber, dass dieser äußerste Fall hier nicht eintritt.

Ich muss nicht jeder kirchlichen Entscheidung, vor allem im disziplinären Bereich, meine Herzenszustimmung geben, und ich darf mir auch ehrlich andere Entscheidungen der Kirchenleitung wünschen. Wenn aber der Papst immer wieder – etwa in der Ämterfrage - klare Vorgaben nennt und die geltende Lehre in Erinnerung ruft, dann stellt die Aufforderung zum Ungehorsam doch die kirchliche Gemeinschaft in Frage. Letzen Endes muss sich jeder Priester, müssen wir uns alle entscheiden, ob wir den Weg mit dem Papst, dem Bischof und der Weltkirche gehen wollen oder nicht. Abstriche von eigenen Vorstellungen zu machen, ist immer schwer. Wer aber das Prinzip des Gehorsams aufgibt, löst die Einheit auf.

Zu einem gemeinsamen Weg habe ich in meinem Hirtenbrief eingeladen. Ich habe einen sehr konkreten Weg vorgeschlagen: Dass wir die Mission an die erste Stelle setzen, und alles an ihr ausrichten, allem voran das Bemühen, selber neu und besser Jünger und Jüngerinnen Jesu zu werden. Daran wird "die Welt" erkennen, ob Nachfolge Jesu sich lohnt, ob Kirche Jesu Christi zu sein, wirklich etwas Heilsames bringt. In dieser Perspektive stehen auch alle Bemühungen um Strukturreformen.

Den "Aufruf zum Ungehorsam" halte ich für keinen hilfreichen Schritt. Ich werde zum nächstmöglichen Zeitpunkt ein Gespräch mit den Vertretern der "Pfarrer-Initiative" führen. Ich werde sie besonders auch auf einige Ungereimtheiten in ihrem "Ungehorsams-Programm" hinweisen, etwa die Formulierung "priesterlose Eucharistiefeier" oder die abschätzigen Bemerkungen über Priesteraushilfen als "liturgische Gastspielreisen". Nur ein von gegenseitiger Wertschätzung geprägter Stil hilft uns weiter, wie wir ihn beglückend in den drei Diözesanversammlungen erleben durften.

Ich bin nun bald 20 Jahre Bischof. Der Bischof hat den Dienst der Einheit; für die eigene Diözese und mit dem Papst und der Weltkirche. Ich mache diesen Dienst mit Freude. Ich erfahre viel Schönes, erlebe aber auch mache schmerzliche Verwundung der Einheit. Zu diesen Wunden gehört der "Aufruf zum Ungehorsam". Ich rufe auf zur Einheit, um die Jesus den Vater gebeten (vgl. Joh 17,21) und für die er sein Leben hingegeben hat. Er helfe mir in meinem Dienst, das Band der Einheit in Liebe und Wahrheit zu erhalten.

Eine gesegnete Sommerzeit wünscht Ihnen allen

Ihr

+ Christoph Kardinal Schönborn


Martin R.

zuletzt bearbeitet 09.07.2011 17:36 | nach oben springen

#6

Und Ihre Meinung?

in Termine - Veranstaltungen - Aktuelles 09.07.2011 17:35
von martin_r • 576 Beiträge

Und Ihre Antwort, Ihre Meinung, liebe Leserin, lieber Leser?
Dieses Forum verzeichnet im Schnitt 100 Zugriffe pro Tag. Nur Wenige nehmen aktiv teil.
Es sollte ein Forum von Vielen sein, darauf hoffe ich...


Martin R.

zuletzt bearbeitet 09.07.2011 17:37 | nach oben springen

#7

Stellungnahme von Theologieprofessor Anton Kolb

in Termine - Veranstaltungen - Aktuelles 09.08.2011 17:48
von martin_r
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Kritik an Kapellari und Schönborn im Zusammenhang mit dem „Aufruf zum Ungehorsam“
28.07.2011, Anton Kolb

Anton Kolb Der emeritierte steirische Theologieprofessor Anton Kolb kritisiert die Berufung der Bischöfe Kapellari, Schönborn und Küng auf den Gehorsam in ihren Entgegnungen des "Aufrufs zum Ungehorsam " der Pfarrer-Initiative. "Kann man das alles mit „bestem Wissen und Gewissen“ verantworten", wie es Egon Kapellari dem Papst und den Bischöfen zugesteht? "Warum dann nicht auch den Pfarrern" und denen, "die den „Aufruf“ befürworten?", fragt der Philosophieprofessor.

Die Presseaussendung der Plattform "Wir sind Kiche" als Entgegnung Kapellaris Zurechtweisung und die Stellungnahme von Bischof Kapellari sowie Medienreaktionen können Sie hier erreichen. Ebenso die Stellungnahme von "Wir sind Kirche" zur Äußerung von Kardinal Schönborn.

Kritik an Kapellari und Schönborn im Zusammenhang mit dem „Aufruf zum Ungehorsam “ seitens der Pfarrer-Initiative

Die „Pfarrer-Initiative“, die am 02.04.2006 von den Pfarrern Helmut Schüller (Sprecher ders.) und Udo Fischer gegründet wurde, der derzeit 317 Mitglieder angehören, davon 52 Diakone, hat am Dreifaltigkeitssonntag, dem 19.06.2011, auf einer Internetseite (www.pfarrer-initiative.at) einen „Aufruf zum Ungehorsam“ erlassen: „Die römische Verweigerung einer längst notwendigen Kirchenreform und die Untätigkeit der Bischöfe erlauben uns nicht nur, sondern sie zwingen uns, dem Gewissen zu folgen und selbstständig tätig zu werden.“ In sieben Punkten zählen sie auf, was sie in ihren Pfarren konkret zu tun gedenken. „Wir sind Kirche“ und die „Laieninitiative“ in Österreich unterstützen diesen „Aufruf“. Bischof Egon Kapellari von der Diözese Graz-Seckau hat am 29.06.2011 „klar und entschieden“ dagegen Stellung genommen: Die Bischöfe und der Papst wüssten über pastorale Nöte Bescheid. Es gäbe in Wirklichkeit aber diesbezüglich „keinen Notstand…, der einen Sonderweg der Kirche in Österreich außerhalb der Weltkirche auch nur rational rechtfertigen würde.“ Man gefährde „auf schwerwiegende Weise die Identität und Einheit der katholischen Kirche.“ Es handle sich um eine „selektive Wahrnehmung“. Man dürfe nicht „gemeinsame Verpflichtungen einseitig aufkündigen.“ (www.kathpress.at/site/nachrichten/database/40178.html.)

Bischof Kapellari betreibt eine alte, immer wiederholte, längst bekannte und weitgehend widerlegte Argumentation der Reformverweigerer. So wäre in der Kirche nie eine Reform zustande gekommen, die de facto immer "von unten" begonnen hat. Das Argument von der "Weltkirche" wird bereits zum Überdruss wiederholt. Die Identität und die Einheit der Weltkirche werden einseitig und eindeutig viel eher von Kapellari & Co., „von oben“, von der Hierarchie bedroht. Die Mitglieder der "Pfarrer-Initiative" können, sollen und wollen sich selbstverständlich "rational rechtfertigen". Die "Ratio", „bestes Wissen“ hat Kapellari nicht gepachtet, auch wenn er sich immer so zu geben versucht, sie anderen nicht ohne weiteres zugesteht. Die "selektive Wahrnehmung" ist in einem weitaus höheren Maß den Reformverweigerern zuzuschreiben, als den Reformern. Die Verweigerer waren im Verlauf der Kirchengeschichte daran schuld, dass die Kirche Schaden genommen hat. Sie sollten also wenigstens post factum aus der Geschichte lernen, und ihre eigenen „Verpflichtungen“ gegenüber dem reformwilligen Kirchenvolk wahrnehmen, die sie sträflich vernachlässigen. Wer seine Verpflichtungen gegenüber dem Kirchenvolk so vernachlässigt, der soll nicht von den Verpflichtungen der Pfarrer sprechen, die diese unter schwierigen Umständen erfüllen, eine Pastoral der Barmherzigkeit betreiben.

Kapellari & Co. zementieren den Zentralismus sowie den Erhalt und die Ausübung eigener Macht, kompensieren verschiedene eigene (menschliche) Mängel. Es erweist sich weder didaktisch als brauchbar noch ist es sachlich wirklich hilfreich, dass z.B. auch vom Bischof Klaus Küng von St. Pölten im gegebenen Zusammenhang der Gehorsam der Priester herausgestrichen und eingefordert wird. Man wird auch unfolgsamen „Kindern“ nicht mit Erfolg sagen können: Sei schön gehorsam, das bist du den Eltern schuldig! So macht man Pfarrer und Gläubige zu unmündigen Kindern. Solche Argumente und solches Verhalten wirken sich schon lange negativ aus und liefern den Grund und die Rechtfertigung für den „Aufruf zum Ungehorsam“. Der Papst und die Bischöfe können und wollen offensichtlich nicht begreifen, dass sie selbst an den gegenwärtigen Entwicklungen – wie z.B. auch am „Aufruf“ – schuld sind, weil sie in den letzten Jahrzehnten unbekümmert und mit den immer gleichen Ausreden jede Reform verweigert und verhindert haben. Sie sollten also viel eher an die eigene Brust klopfen und zumindest ihre Mitschuld eingestehen. Sie verwechseln Ursache und Wirkung.

Gleich einseitig – wenn nicht noch schlimmer – fällt die Argumentation von Kapellari aus, was das Gewissen betrifft. Dieses ist wahrlich ein „hoch geachteter Wert“, aber nicht im Sinne von Kapellari. Es hat nämlich nicht dem „Papst und Bischöfen“, nicht der „weltweiten Gemeinschaft“ der Kirche zu dienen, ist nicht deren Einrichtung, ist nicht von diesen zu instrumentalisieren. Ganz im Gegenteil kann und soll es fallweise gerade auch zu Recht dagegen aufbegehren, wie im vorliegenden Fall. Wenn die pastorale Notsituation „sowohl den Bischöfen wie dem Papst bekannt“ ist – wie Kapellari schreibt -, warum unternehmen sie dann nicht wirklich etwas Greifbares, Sichtbares und Hilfreiches dagegen? Bloße Ankündigungen und Behauptungen genügen nicht. Der bloße und übertriebene Gehorsam der Bischöfe dem Papst gegenüber genügt auch nicht, kann, soll und darf nicht als Vorbild, sondern allenfalls nur als Ausrede dienen.

Kann man das alles mit „bestem Wissen und Gewissen“ verantworten, die Kapellari dem Papst und den Bischöfen, somit auch sich selbst, zugesteht? Warum dann nicht auch den Pfarrern, die sich schon vorher darauf berufen haben, die den „Aufruf“ befürworten? Es ist wahrlich hypertroph, sich selbst „bestes Wissen und Gewissen“ zuzusprechen, den betreffenden Pfarrern aber gleichzeitig abzusprechen. Wie wäre es mit einer Gewissenserforschung seitens der Hierarchie? Zumindest für die Gläubigen ist das Gewissen auf Gott bezogen, und nicht auf den Papst und die Bischöfe. Man sollte für die eigenen Pfarrer, Diakone und Gläubigen mehr Verständnis haben, ihnen mehr entgegen kommen, ihnen Hilfe anbieten, sie nicht weiter brüskieren und vertreiben, vielmehr ihre geistlichen, geistigen, pastoralen Gaben bzw. Charismen und Kompetenzen wert schätzen und unterstützen. Sie schreiben, reden, predigen und arbeiten aus Liebe zur Kirche. Man möge ihnen Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit und Gerechtigkeit widerfahren lassen, die um das Wohl und nicht um die Wolle ihrer „Schafe“ besorgt sind. Es ist bedauerlich und betrüblich, wie pastoral oberflächlich, rückständig und unbekümmert („kein Notstand“), theologisch dürftig und kirchengeschichtlich betrachtet falsch hier auf eine wirkliche und konkret existierende Notsituation reagiert wird. Das System schlägt zurück. Man steige herab vom Thron, vom hohen Ross, um die Systemkrise nicht weiter zu verschärfen. Man respektiere das Gewissen der Pfarrer. Die Zeit der Bischöfe ist hoffentlich bald vorbei, in der sie wie bisher öffentlich mehr oder minder von den Mitgliedern der eigenen Kirche unbehelligt weiter regieren, ihre „Herrschaft“ ausüben können.

Etwas verspätet hat auch Kardinal Schönborn am 07.07.2011 auf den „Aufruf zum Ungehorsam“ geantwortet. (www.themakirche.at/impulse/articles/2011/07/06/a4122/) Was ich als Kritik an Kapellari geschrieben habe, gilt ceteris paribus auch für Schönborn, der in ähnlicher Weise wie dieser zu argumentieren versucht. Er hat, wie er selber sagt, „im Zorn und in Trauer“ reagiert. Dem Leser der Aussagen Schönborns bleibt auch nur als einzige Möglichkeit, dass ihm nämlich in tiefer Trauer die Zornesröte in das Gesicht steigt. Schönborn schreibt weiter: „Mich erschüttert der offene Aufruf zum Ungehorsam.“ Sehr viele aber erschüttert noch viel mehr seine Uneinsichtigkeit, seine behauptete eigene Schuldlosigkeit, ja fast Heiligsprechung der eigenen Antwort, die letztlich einer Verantwortungslosigkeit gleichkommt.

„Wer das Prinzip des Gehorsams aufgibt, löst die Einheit auf.“ Die „Pfarrer-Initiative“ hat keineswegs das Prinzip des Gehorsams aufgegeben, sondern den falsch verstandenen, überzogenen, bedingungslosen Gehorsam kritisiert. Das tut den Bischöfen weh, weil sie gerne hätten, dass man ihnen weiterhin schön brav gehorcht wie bisher, dass sie weiter „regieren“ können wie bisher. Es ist biblisch und theologisch schlichtweg falsch, die „Einheit der Kirche“ vom Gehorsam abhängig zu machen. Die Pfarrer haben weiters genauso wenig generell den „Ungehorsam zur Tugend erhoben.“ Man sollte also keinen Buhmann aufbauen, es sich nicht so leicht, zu leicht, zu bequem machen. Die „schmerzliche Verwundung der Einheit“ ist Schönborn selbst zuzuschreiben.

Man verteidigt und beschwört eine „Einheit“, die es ohnehin schon lange nicht mehr gibt. In der Österreichischen, der Deutschen wie in anderen Bischofskonferenzen gibt es auch längst keine Einheit mehr, falls es diese je gegeben haben sollte. Man soll also nicht anderen vorschreiben, was man selber nicht zustande bringt. Die Bischöfe sollen untereinander und anderen gegenüber ehrlich und transparent umgehen. Die Scheinwelt der Bischöfe wird vor der Außenwelt zu vertuschen versucht, die ihre eigenen Konflikte in Wahrheit nicht zu lösen vermögen.

Sie sollten vielmehr gegen das Denunziantentum, insbesondere in den Reihen der Restaurativen, auftreten, anstatt es zu tolerieren, zu decken, womöglich selbst zu betreiben. Maulkörbe, Absetzungen, Unterdrückungen, Drohungen, Vertuschungen, Ausgrenzungen, Verleumdungen, Verdrängungen und Schweigen dürfen nicht weiter als legitime Machtmittel und Unterdrückungsmechanismen eingesetzt werden. Es gibt leider eben auch Menschenrechtsverletzungen seitens der Hierarchie der katholischen Kirche. Gegen alle diese Machtmechanismen, gegen Unehrlichkeit, gegen die Wahrung des Scheines, gegen Diktatur und Diskriminierung sollten und müssten die Bischöfe auftreten, in den eigenen Reihen, auch dem Papst gegenüber, anstatt ihm Gehorsam zu geloben, und dies alles unter allen, auch unchristlichen Umständen zu verteidigen. Sie sollten lieber die Füße, als die Köpfe waschen. Nicht die Pfarrer befinden sich in diesem Fall in einer Krise, sondern die Machtstruktur der Kirche. Je mehr Gehorsam, umso weniger Eigenverantwortung und Notwendigkeit eigener Einsicht, eigenen Denkens. Ist es das, was der Papst und die Bischöfe wollen? Bei manchen Fällen der gegenwärtigen Kirchenpolitik scheint das der Fall zu sein. Man soll auch den Pfarrern Meinungs- und Redefreiheit zugestehen. Sie sollen sich nicht auseinander dividieren lassen.

Die Priester haben keineswegs „aus freien Stücken, von niemandem dazu gezwungen, dem Bischof ‚Ehrfurcht und Gehorsam‛… versprochen“. Diese „Freiwilligkeit“ gleicht vielmehr jener des Pflichtzölibates. „Der christliche Gehorsam ist eine Schule der Freiheit.“ Das gilt nicht für den Gehorsam, wie ihn Schönborn, Kapellari und Gesinnungsgenossen verstehen, sondern nur im biblischen Sinne. Es ist auch völlig unangebracht und inadäquat, im Zusammenhang mit dem Gehorsam auf den „Arbeitsplatz“ und das „Vaterunser“ zu verweisen. Die Bischöfe sollten sich als Priester, Pfarrer, Brüder sehen und verstehen, nicht als Vorgesetzte, nicht als Dienstgeber für einen „Arbeitsplatz“, womöglich unter Androhung der Kürzung des Gehaltes eines Geistlichen, wenn er nicht gehorsam ist, wie es auch schon geschehen ist.

Der weitere Hinweis Schönborns auf das Beispiel seines eigenen, der Bischöfe Gehorsam dem Papst gegenüber geht insofern daneben, weil genau ein blinder und absoluter Gehorsam, der übrigens Gott allein gebührt, wesentlich mit schuld ist an den Fehlentwicklungen der Kirche. Negatives kann und soll kein Vorbild sein. Die Bischöfe hätten es viel mehr als ihre religiöse, moralische und menschliche Pflicht betrachten sollen, sich z.B. über die ungerechte und unfaire Abberufung ihres Kollegen William M. Morris, Bischof in Australien, beim Papst zu beschweren. Sie haben nichts getan, außer geschwiegen. Unter dem Deckmantel des Gehorsams kann man in Unschuld gut schlafen.

Schönborn schreibt: „Dem Gewissen ist immer Folge zu leisten“. Er respektiert und realisiert aber diesen Satz, diese Einsicht, dieses Prinzip überhaupt nicht, was die betreffenden Pfarrer betrifft. Er zieht keine bzw. falsche Konsequenzen daraus. Beim „Aufruf“ handle es sich um eine Sache, „die zu einer klaren Entscheidung drängt.“ Insofern ja, weil der Papst und die Bischöfe nun endlich Reformen durchführen müssen, um nicht selber weiter daran schuld zu sein, dass Geistliche ihr Amt niederlegen und Gläubige aus der Kirche austreten. Es klingt fast wie ein Hohn, angesichts dieser Tatsachen von dieser Seite die „Einheit“ zu beschwören. Man sieht die Splitter in den Augen der Pfarrer, die Balken in den eigenen Augen werden geflissentlich übersehen. Es besteht die Gefahr der Erblindung. Ein negatives Beispiel in dieser Hinsicht ist auch der neue Bischof des Burgenlandes, Ägidius Zsifkovics, der seit seinem Amtsantritt mit seiner erzkonservativen Einstellung der Diözese Eisenstatt nur Schwierigkeiten bereitet. Nach Schönborn müssten wir alle „den Willen Gottes“ erfüllen. Genau darum geht es. Genau das will die „Pfarrer-Initiative“. Nicht einmal der Papst und die Bischöfe haben den Willen Gottes gepachtet.

Wenn nicht schon direkt, so wirft Schönborn jedenfalls indirekt der „Pfarrer-Initiative“ vor, „den Weg nicht mehr mit der römisch-katholischen Kirche zu gehen.“ Das kommt beinahe einem Hinauswurf gleich. Mir schiene es richtiger, wichtiger und besser, dass die Reformverweigerer die notwendigen Konsequenzen ziehen. Schönborn hat am 17.07.2011 im Stephansdom in Wien das Requiem für Otto von Habsburg gehalten. Im Sinne des Verstorbenen eine würdige und schöne Feier. Damit hat er sich sicher bei seinen Anhängern weitere Sympathien erworben. Wer ein Requiem gut halten kann, bürgt allerdings noch nicht notwendigerweise für Führungsqualitäten in einem so hohen Amt. Große Inszenierung, Ästhetik, Barock und Weihrauch dürfen nicht über Inhalt, Auftrag, richtige Richtung und Ziel hinweg täuschen. Im weltlichen Bereich würde man – bei allem Respekt vor verschiedenen Leistungen – sagen: Schönborn, Kapellari & Co sollen von ihren Ämtern zurücktreten, auch deshalb, um nicht noch weiteren Schaden anzurichten, um nicht noch weitere Gläubige zum Kirchenaustritt zu veranlassen. Dazu haben sie leider schon über Jahrzehnte viele Gründe geliefert. Sonst wird man sich nicht mehr sehr lange um sie kümmern, über sie nicht einmal mehr aufregen, sondern sie einfach ignorieren. Was entschieden schlimmer wäre. Sie betreiben eine Vertreibungsaktion der Gläubigen, vielleicht auch von Pfarrern, während sie wehleidig und mitleidig von der „Einheit der Kirche“ schwärmen. Man plädiert für „gegenseitige Wertschätzung“ (Schönborn), von der man im gegenständlichen Fall von ihm nichts merkt, für gegenseitige Rücksichtnahme, friedliche Diskussion und eine gemäßigte Sprache, um weiter leichter regieren zu können, hält sich aber selber kaum daran. Man hat Angst vor der Verteilung der Macht.

Vielleicht gelingt es – die Hoffnung ist nicht sehr groß –, die Besagten noch zu einem synodalen, kollegialen, partizipativen, partnerschaftlichen und demokratischen Leitungsstil und zu einem Dialog zu „bekehren“. „Lernen hat noch nie geschadet“, sagte Schönborn beim besagten Requiem. Möge diese Lernbereitschaft auch für ihn und die Seinen gelten. Oder sie verharren weiter in ihrem Zorn, ihrer Trauer, ihrer Angst, ihrer diesbezüglichen Unfähigkeit und ihrer Unglaubwürdigkeit. Sie treten noch immer mit Scheuklappen die Flucht in einen geschützten und abgeschlossenen Innenraum an. Pfarrer, Gläubige und Theologen sind insofern „schuld“, weil sie zu lange mit ihrer Kritik und ihrem Widerspruch gewartet haben, zu zaghaft waren. So haben sich der Papst und die Bischöfe in relativer Sicherheit wiegen und ihre Macht weiter einseitig ausüben können. „Fiat iustitia, pereat mundus.“ Nicht der Gehorsam, sondern die Liebe ist nach dem Evangelium das erste, oberste und wichtigste Gebot der Christen. Sollte es auch in der Kirche sein.

Graz am 22. Juli 2011

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