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Papst Benedikt, die Räuberbande und der Widerstand. Zur Rede des Papstes vor dem deutschen Bundestag

in Sinn- und Schatzkiste 26.09.2011 17:26
von martin_r • 576 Beiträge

Papst Benedikt, die Räuberbande und der Widerstand
Wolfgang Bergmann, 26. September 2011 11:10

„Nimm das Recht weg - was ist dann ein Staat noch anderes als eine große Räuberbande", zitierte Benedikt XVI. den hl. Augustinus, seinen Lieblingskirchenvater, im Deutschen Bundestag. Das klingt ziemlich heutig.

Die im Vorfeld umstrittene Parlamentsrede hat der Papst recht ordentlich hingekriegt: Er sezierte die Frage nach dem Verhältnis von Recht zu Gerechtigkeit, das Problem wie "zwischen Gut und Böse, zwischen wahrem Recht und Scheinrecht unterscheiden?"

Bei der Tatsache, dass die Herrscher das Recht missbrauchen können, ruft er in Erinnerung, dass schon Origenes im 3. Jahrhundert „den Widerstand der Christen gegen bestimmte geltende Rechtsordnungen" begründete.

Dann die für einen Papst überraschende Feststellung: Das Christentum habe, so Benedikt, dem Staat "nie eine Rechtsordnung aus Offenbarung vorgegeben. Es hat stattdessen auf Natur und Vernunft als die wahren Rechtsquellen verwiesen ... " Die Väter der alten Kirche hätten sich demnach "auf die Seite der Philosophie gestellt" und nicht einen religiösen Fundamentalismus vertreten.

In einer ausführlichen Abhandlung mit - für einen Papst unüblich - charmant gesetzten Pointen (inklusive Lachen und Applaus bei den Abgeordneten) geht er dann der Frage nach, ob der derzeit vorherrschende Positivismus allein Gerechtigkeit begründen könne und bringt die Frage nach dem Schöpfergott ins Spiel. Die Rolle des Philosophen steht ihm, so scheint es, am besten.

Was er bisher nicht bereit ist, mutig weiterzudenken: Seine Analyse der weltlichen Rechtsordnung gilt auch für die kirchliche. Für das päpstliche Regime in Sachen Zölibat und Ausschluss der Frau vom Priesteramt gibt es beispielsweise keine gesonderte Offenbarung. Vernunft und Natur sagen etwas anderes. Bräuchte es zur Sicherung der Humanität in der Kirche nicht manchmal mehr Philosophie (=Liebe zur Weisheit) als Fundamentalismus? Gilt da nicht längst die Widerstandspflicht des Origenes?

„Wir haben erlebt, dass Macht von Recht getrennt wurde, dass Macht gegen Recht stand, das Recht zertreten hat und dass der Staat zum Instrument der Rechtszerstörung wurde - zu einer sehr gut organisierten Räuberbande, die die ganze Welt bedrohen und an den Rand des Abgrunds treiben konnte". Dieser Satz, den Papst Benedikt nur Politikern in Erinnerung an ein dunkles Kapitel der deutschen Geschichte ins Stammbuch schreiben wollte, beschreibt auch die Kirche.

Im Schatten päpstlicher Schweigegebote entwickelte sich ein Teil des Klerus zu einer Räuberbande in Sachen Missbrauch, mit Rückendeckung bis in höchste vatikanische Kreise.

Darum schließt dieser erste Blogeintrag - und solange sich nichts ändert auch die künftigen - mit einem ceterum censeo: Im Übrigen bin ich der Meinung, dass die Verantwortung der Päpste und des Vatikans am internationalen Missbrauchsskandal geklärt werden muss. Benedikts beharrliches Schweigen dazu macht ihn als Papst unglaubwürdig.

Autor: Wolfgang Bergmann, Magister der Theologie (kath.), 1988-1996 Pressesprecher der Caritas, 1996-1999 Kommunikationsdirektor der Erzdiözese Wien und Gründungsgeschäftsführer von Radio Stephansdom. Seit 2000 Geschäftsführer DER STANDARD.

2010 erschien sein Romanerstling:" Die kleinere Sünde" (Czernin-Verlag) zum Thema Missbrauch in der Kirche.


Martin R.

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